Standorte der Chemie und Pharmazie
Die Eidgenössische Polytechnische Schule in Zürich wurde am 15. Oktober 1855 mit acht Liegenschaften in der Altstadt eröffnet. In seiner ursprünglichen Gestaltung war das Schulgebäude in sechs Hauptbereiche einschliesslich wissenschaftlicher Sammlungen, Antikenmuseum und das aus Sicherheitsgründen abgesonderte Chemische Institut aufgeteilt. Ursprünglich befanden sich dort folgende Anstalten: Das „technische Laboratorium mit dem pharmazeutischen und photographischen Institut und der eidgenössischen Silber- und Gold-Probiranstalt, das analytische Laboratorium, die eidgenössische Samenkontrol-Station und die eidgenössische agrikultur-chemische Station“, wobei die beiden letzten Institute von den chemischen Laboratorien unabhängig und daher räumlich getrennt waren.
Bereits 1870 begannen Klagen über Raumnot im Alten Chemiegebäude laut zu werden, und so verlangte der Bundesrat auf Drängen des Schulrates von Zürich Um- und Erweiterungsbauten. Nach langwierigen Verhandlungen kam es 1879 zu einem Vertragsschluss. 1884 begann der Bau des Chemiegebäudes. Die Chemischen Laboratorien an der Universitätsstrasse in der Gemeinde Oberstrass wurden 1886 fertig gestellt. Die Pläne dazu stammten von den Chemie-Professoren Victor Meyer und Georg Lunge. Entwurf und Bauleitung übernahmen die Architektur-Professoren Johann Kaspar Bluntschli und Georg Lasius.
Das Gebäude parallel zur Universitätstrasse bestand aus einem dreistöckigen Bau mit an beiden Enden nach vorn und hinten einstöckigen Flügeln; nach hinten war ausserdem noch ein mittlerer Flügel in der Höhe des Erdgeschosses vorgebaut. Den Eingang von der Strasse aus bildete ein Portalbau. Von dem anschliessenden über der Strasse etwas erhöhten Hof aus führte eine Freitreppe zum Hauptzugang. Die Einrichtungen waren bereits zu Baubeginn gut durchdacht und bis in die nächsten Jahrzehnte hinein modern. Sie boten Forschenden ein ausgezeichnetes Arbeitsumfeld, was sich in der Vergabe von sieben Nobelpreisen an die dort tätigen Chemiker widerspiegelte.
Die Architekten Bluntschli und Lasius beschrieben den Bau (Aussenbauten und Inneneinrichtung) ausführlich in ihrem Druck “Die chemischen Laboratorien des Eidgenössischen Polytechnikums“ (hier einige Auszüge, teilweise als Zitate):
In der technischen Abteilung befanden sich die Arbeitsräume des Professors, bestehend aus Arbeitszimmer, Privatlaboratorium und Wagenzimmer sowie Assistentenarbeitszimmer. Im Pharmazeutischen Laboratorium waren "die Pharmazeutische Sammlung, Mikroskopirzimmer, Magazinräume und Magazine für die Apparate und Chemikalien untergebracht sowie Hauptlaboratoriumssäle, Bibliothek, Aborte und Wagenzimmer. …“
Es gab Konferenz- und Prüfungszimmer, Vorbereitungszimmer, Apparaten- und Präparatensammlungen, Wohnungen für den ersten Assistenten mit sechs Zimmern, Küche und Zubehör, Abwartwohnungen, Zimmer für unverheiratete Assistenten, Maschinenräume, Elektrochemische Räume, Äther- und Gaszimmer, Schmelzräume, Abdampfraum, Arbeitszimmer für selbständige Praktikanten etc.
"Das technisch-chemische Laboratorium weist im Hauptstockwerk die beiden grossen Laboratoriumsäle auf. In dem Saale befinden sich 16 doppelte Arbeitstische, also 64 kleine Plätze oder 32 grosse Plätze. Da jedenfalls zwei grosse Plätze von den Saalassistenten beansprucht werden, so bleiben 60 kleine Plätze für die Praktikanten übrig. Die beiderseitige Beleuchtung bewirkt, dass alle Plätze so gut wie ganz denselben Wert haben."
"Ferner befinden sich in diesem Saale 16 grosse Dunstabzüge (<Kapellen>), von denen jeder nach Belieben in zwei Teile geteilt werden kann, so dass jeder Praktikant in unmittelbarer Nähe einen Dunstabzug besitzt, der gross genug ist, um darin abzudampfen, zu destilliren, zu filtriren usw. Von allgemeinen Einrichtungen finden sich in diesem Saale: Gestelle für allgemeine Reagentien, zum Teil als verglaste Schränke, Tische zum Abwägen von Präparaten u. dergleichen; Blastisch, Stinkbrunnen, d.h. ein grosser, mit Dunstabzug versehener Steinbrunnen, in welchen alle übelriechenden Flüssigkeiten geschüttet werden, Douche für Verbrennungsfälle, Dampftrockenschrank mit Ventilation, mit Dampf geheiztes Wasserbad, Gasregulatoren, grosser Balkon in der kälteren Jahreszeit zu Krystallisationen und dergleichen."
Als Nebenräume gehörten zum Hörsaal üblicherweise drei Räume: ein „Vorbereitungszimmer mit Oberbelichtung, eine Apparatensammlung und eine Präparatensammlung“. Damals gab es in den Gebäuden zudem „Dunkelzimmer für optische Arbeiten, Kanonenzimmer für Operationen in zugeschmolzenen Röhren unter Hochdruck, Magazine der Assistenten, „Zimmer für ältere Leute“ (ganz selbständig arbeitende Praktikanten), die zugleich als Räume für Nachtarbeiten dienten, „Verbrennungszimmer mit Gasometern für Sauerstoff und Luft, in welchem sieben Elementaranalysen gleichzeitig ausgeführt werden konnten" aber auch „Garderobenschränkchen für Röcke und Hüte, mit Ventilation, verschliessbar, in so grosser Anzahl, dass jeder Praktikant eines derselben für sich benutzen kann."
Es gab zudem eine technologisch-chemische Sammlung als „Museum, in dem sich viele tausende von Gläsern, Schachteln und losen Gegenständen befinden“, Gegenstände zur Textilindustrie, Farbstoffe mit Färbeproben, Brenn- und Baumaterialien, Glas- und Tonwaren sowie Salz.
Zu den Chemiegebäuden an der Universitätstrasse zählen neben dem 1886 fertig gestellte Backsteinbau (CAB) auch der T-förmige Stahl-Skelettbau von Salvisberg aus den 30er Jahren sowie der Beton-Skelettbau mit einem Turm und weitere CHN- und CNB- Aufstockungen, die zwischen 1951 und 1973 entstanden.
Die alten chemischen Laboratorien des eidgenössischen Polytechnikums
Mit der Verlegung des Departements Chemie an den Standort ETH Hönggerberg wurden im Bereich ETH Zentrum in Etappen ca. 30 000 m² Hauptnutzfläche für neue Belegungen frei. Der Bezug der dritten Ausbauetappe, Phase 1 (Departement Chemie) war auf den Herbst des Jahres 2001 terminiert, Phase 2 (Praktika Chemie und Departement Werkstoffe) für das Jahr 2004 vorgesehen. Damit wurden die Gebäudekomplexe der so genannten Chemie-Altbauten in den Jahren 2001 bis 2004 freigestellt.
Das Projekt erstreckte sich über die drei Gebäudekomplexe CAB, CNB und CHN (bestehend aus den Gebäudeteilen CHA, CHB und CHC), deren gesamte Hauptnutzfläche 30 315 m² beträgt. Dabei diente das Projekt HPM der Zusammenführung des Departements Biologie am Standort Hönggerberg. Das Gebäude HPM soll nach der Sanierung das Laboratorium für Biochemie aufnehmen, welches damals in den Chemie-Altbauten im ETH Zentrum untergebracht war.
Die Chemie-Altbauten ihrerseits ermöglichten zusammen mit den umliegenden Gebäudekomplexen die Konzentration der Departemente Umweltnaturwissenschaften, Wald- und Holzforschung, Agrar- und Lebensmittelwissenschaften sowie Maschinenbau und Verfahrenstechnik. Zu der Zeit beherbergen die Chemie-Altbauten das bereits erwähnte Laboratorium für Biochemie, das Departement Chemie und das Institut für Polymere (Departement Werkstoffe). Letztere beiden wurden in den Phasen 1 und 2 der 3. Ausbauetappe "ETH Hönggerberg" auf den Hönggerberg verlegt.
Die Chemie-Altbauten an der Universitätsstrasse 6/16 wurden zwischen 1875 und 1984 in mehreren Bauetappen von verschiedenen Architekten – meist ETHZ-Professoren – geplant und realisiert. Die zwei ältesten Gebäudeteile sind im regionalen Inventar schützenswerter Bauten der Kantonalen Denkmalpflege aufgeführt und mussten saniert werden.
«Platform Chemistry» führte das Programm «Chemical Landmark» in der Schweiz ein, um das wissenschaftliche und technologische Erbe im Bereich der Chemie zu identifizieren und zu manifestieren. Bedeutsame Orte in der Geschichte der Chemie in der Schweiz werden als «Historische Stätten der Chemie» ausgezeichnet, um an chemische Entdeckungen und berühmte Chemiker und deren Orte des Wirkens zu erinnern. Jährlich wird eine historische Stätte ausgewählt und im Rahmen eines offiziellen Festakts ausgezeichnet. Die Vorschläge werden von einer Jury aus Chemikern, Chemieingenieuren und Wissenschaftshistorikern evaluiert.
Der von Dr. Barbara Brauckmann im Namen des Departementes Chemie und Angewandte Biowissenschaften eingereichte Nominierungsantrag wurde 2010 angenommen und die Auszeichnung 2010 des SCNAT für das CAB-Gebäude (Chemische Laboratorien der ETH an der Universitätstrasse, Zürich) am 9. Dezember vergeben (Download Programm (PDF, 221 KB))
Am 1. Juli 2022 erhielt die ETH Zürich die zweite Chemical Landmark für die Universitätsstrasse 22 (CHN-Gebäude), zeitgleich erhielt Bruker die Auszeichnung für die Industriestrasse 26 in Fällanden. An diesen beiden Orte haben die Firma Bruker und die ETH Zürich Forschungsgeschichte geschrieben, ndem sie gemeinsam massgeblich zur Entwicklung der Kernresonanzspektroskopie (NMR) beitrugen (siehe Artikel Preisvergabe und Artikel zur Entwicklung der NMR).
Von 1855 bis 1861 war die Chemisch-Technische Schule, und mit ihr die Pharmazie, in der Stiftsverwalterei an der oberen Kirchgasse und der Zürcher Kantonsschule, danach von 1861 bis 1886 im so genannten „Neuen Chemischen Laboratorium“ (gemeinsam für die Universität und das Polytechnikum) untergebracht. Von 1886 bis 1916 befand sich die Pharmazie zusammen mit der Chemie im neu erbauten Chemiegebäude an der Universitätstrasse.
1916 bis 1993 fanden das Pharmazeutische Institut (ab Dezember 1990 als D-PHAR), das Hygienisch-Bakteriologische Institut (später Institut für Hygiene und Arbeitsphysiologie) und das Photographische Institut Platz im Westflügel des Naturwissenschaftlichen Gebäudes der ETH an der Clausiusstrasse 25.
Die zunehmende Entwicklung der Wissenschaften, insbesondere aber auch der sprunghafte Anstieg der Zahl der Studierenden erforderte erneut räumliche Erweiterungen. Mit einer Laborbaracke vor dem Chemiegebäude an der Universitätsstrasse und dem alten EMPA-Gebäude an der Leonhardstrasse sowie durch die Zuteilung eines Stockwerkes im Ostflügel des Naturwissenschaftlichen Gebäudes an der Clausiusstrasse, durch die Ausgliederung des Instituts für Hygiene und Arbeitsphysiologie und die teilweise Verlegung des Photographischen Instituts konnte eine vorübergehende Lösung gefunden werden.
Seit den 80er Jahren nahmen die Pläne für einen Neubau für die Pharmazie Gestalt an. Es gelang, ein Abkommen zwischen der Eidgenossenschaft und dem Kanton Zürich zu schliessen. Weiters plante die Universität im Rahmen der dritten Ausbauetappe auf dem Campus der Universität Zürich-Irchel (UZI) unter anderem einen Neubau für die Pharmakologie der medizinischen Fakultät. Im gleichen Haus Bau 17, bot sich für die ETH, die Möglichkeit im Stockwerkeigentum Unterrichts- und Forschungsräume zu realisieren. Im September 1993 konnte die Pharmazie die neuen Räume im Campus der UZI beziehen
Ende der 90er Jahre entstanden erneut Platzprobleme, die im Irchel-Campus durch Miete verschiedener Laboratorien und Räume im Bau 32 (Chemie der UZI) nur vorübergehend gelöst werden konnten. Zur gleichen Zeit war die 3. Ausbauetappe der durch die Eidgenössischen Räte bewilligten Neubauten für die ETH-Chemie am Hönggerberg (HCI) in Planung. Die ETH-Schulleitung entschied im August/September 2004, das IPW zusammen mit dem Departement Materialwissenschaft und dem Institut für Mikrobiologie (D-BIOL) in die Neubauten des HCI umzusiedeln.
Download Geschichte der Pharmazie von em. Prof. Dr. Otto Sticher (PDF, 47 KB)
Standort Clausiusstrasse und Irchel