Zweites Chemical Landmark für die ETH Zürich
Zwei historische Stätten der Firma Bruker und der ETH Zürich wurden am 1. Juli 2022 von der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz ausgezeichnet.
Den Entdeckungen und Erfolgen in der chemischen Forschung verdankt die Schweiz einen grossen Teil ihres Wohlstands. Seit 2009 zeichnet die Plattform Chemie der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) bedeutsame Orte in der Geschichte der Chemie als «Historische Stätten der Chemie» aus. Diese Chemical Landmarks sollen Forschende, Lehrende und Studierende wie auch Historiker:innen sowie die breite Öffentlichkeit an bedeutsame chemische Entdeckungen, an berühmte Chemiker und an deren Wirkungsorte zu erinnern.
Jedes Jahr wird von einer Jury des SCNAT eine historische Stätte ausgewählt und im Rahmen eines offiziellen Festakts ausgezeichnet.
Im Jahr 2010 wurde das ehemalige Chemiegebäude CAB der ETH Zürich in der Universitätstrasse 6, als Chemical Landmark ausgezeichnet. Dieses war Wirkungsstätte mehrerer Generationen von Chemiker:innen und Chemieingenieur:innen.
Mit dem Chemical Landmark 2021 ehrt die Akademie der Naturwissenschaften Schweiz nun die Industriestrasse 26 in Fällanden und die Universitätstrasse 22 in Zürich. An diesen Orte haben die Firma Bruker und die ETH Zürich Forschungsgeschichte geschrieben, indem sie gemeinsam massgeblich zur Entwicklung der Kernresonanzspektroskopie beitrugen. Neben den verschiedenen technischen Meilensteinen streicht die Jury des Chemical Landmarks die erfolgreiche langjährige Kooperation zwischen Industrie und Hochschule heraus. Die Zusammenarbeit mit Bruker ermöglichte es den Wissenschaftlern der ETH Zürich, Erkenntnisse der Grundlagenforschung in die Industrie zu übertragen.
Die NMR-Spektroskopie ist für die Chemie, die Materialwissenschaften, die Biologie und die Medizin heute unersetzlich. Dank ihr lassen sich die dreidimensionalen Strukturen und die Reaktionen von Atomen, Molekülen, Flüssigkeiten und Feststoffen untersuchen. Mehr zum Hintergrund dieser Methode und ihre Entwicklung erfahren Sie in einem zweiten Beitrag und einem Podcast mit zwei NMR-Experten der ETH Zürich.
Coronabedingt konnte der offizielle Festakt, an dem die Plaketten an den Gebäuden enthüllt wurden, erst 2022 stattfinden. Nach der Enthüllung der Gedenktafel am Gebäude in der Industriestrasse 26 in Fällanden, dem Sitz von Bruker Schweiz, und einer Besichtigung der Fabrikanlagen fand der eigentliche Festakt an der ETH Zürich statt. An die Begrüssung durch den Präsidenten der Schweizerischen Akademie der Wissenschaften, Prof. Philippe Moreillon, und den Gastgeber, den Vorsteher des Departements Chemie und Angewandte Biowissenschaften, Prof. Erick Carreira, schlossen sich die Festvorträge an. Dr. Anne Lesage, CRMN Lyon, zeigte in ihrem Vortrag The Structure of Surfaces from DNP Enhanced Solid-State NMR: A Historical Perspective die Vielfalt heutiger Anwendungen der Festkörper-NMR-Spektroskopie auf. Prof. Dr. Christian Griesinger vom Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen ergänzte diese in seinem Vortrag Historic Perspectives and Some Modern Applications durch weitere Anwendungen und Ausführungen zur Entwicklung der NMR-Spektroskopie und zur Entstehung des Silicon Valley in Kalifornien. Den kurzweiligen Abschlussvortrag hielt Dr. Rainer Kümmerle, Bruker AG, der mit vielen historischen Bildern die Entwicklung der NMR-Spektroskopie nachzeichnete.
Bruker stieg 1965 mit der Firma Spectrospin in die Entwicklung von NMR-Spektroskopen ein. Bald darauf präsentierte sie das erste Spektroskop, dessen Elektronik wie heutige Computer vollständig aus Transistoren aufgebaut war.
Mitte der 1970er Jahre kam es zur Zusammenarbeit mit Richard Ernst von der ETH Zürich. Der Chemiker und der Industriebetrieb brachten das sogenannte Fourier-Transformations-Spektrometer zur Marktreife. Dieses zeichnet sich gegenüber herkömmlichen NMR-Spektrometern durch einen bessere Auflösung und kürzere Messzeiten aus und war ein Meilenstein in der chemischen Analytik. Für seine Forschung zu hochauflösenden NMR-Methoden erhielt Ernst 1991 den Nobelpreis für Chemie.
Mit Kurt Wüthrich stiess ein zweiter ETH-Chemiker zum Team. Ihm gelang ein weiterer Meilenstein: Dank der 2D-NMR-Spektroskopie wurde es nun möglich, nicht nur die chemische Zusammensetzung von Stoffen aufzuschlüsseln, sondern auch die Abstände der einzelnen Atome zueinander auszumessen. Das ermöglichte es, die Struktur komplexer Moleküle zu analysieren. Wüthrich erhielt für seine Arbeiten zur Strukturaufklärung von Proteinen 2002 ebenfalls den Chemie-Nobelpreis.
Nach den Vorträgen begaben sich die Besucher zum Eingang des Gebäudes Universitätstrasse 22, wo Erick Carreira und Philippe Moreillon gemeinsam die Plakette enthüllten.
Auch 2022 wird wieder ein Chemical Landmark ausgewählt. Der Ort ist von der Jury der Plattform Chemie der Schweizerischen Akademie der Wissenschaften bereits bestimmt, die Bekanntgabe und feierliche Enthüllung der Gedenktafel wird Ende 2022 oder Anfang 2023 stattfinden.