Platinkatalyse in atomarer Auflösung beobachtet
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Katalysatoren bestehen meist aus wertvollen Metallen, die nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen. Es ist deshalb wichtig, den Katalysator für die jeweilige Reaktion zu optimieren. Der Gruppe von Jeroen van Bokhoven ist es nun gelungen, einen Katalysator in atomarer Auflösung und in Echtzeit zu studieren und dadurch wesentliche neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Heterogene Katalyse ist ein Schlüsselverfahren in der chemischen Industrie, denn mehr als 80% aller produzierten Chemikalien werden mittels katalytischer Prozesse hergestellt. Deshalb sind Katalysatoren Wegbereiter für den Übergang in eine nachhaltige, energieeffiziente und umweltfreundliche Gesellschaft. Das Edelmetall Platin – welches nur begrenzt verfügbar ist – ist ein wichtiger und häufiger Bestandteil von Katalysatoren. Um Katalysatoren zu verbessern, ist Voraussetzung, dass der Mechanismus des Prozesses bekannt ist – ansonsten „gilt für die Verbesserung von Katalysatoren einfach weiter Trial and Error“, wie es Arik Beck, der Erstautor der kürzlich in Nature Communications publizierten Studie, beschreibt. Genau dies ist nun der Gruppe von Jeroen van Bokhoven gelungen – in Zusammenarbeit mit Xing Huang und Marc-Georg Willinger von ScopeM, dem Scientific Center for Optical and Electron Microscopy an der ETH Zurich.
Mithilfe hochauflösender Elektronenmikroskopie gelang es ihnen, den Prozess live, also in-situ, zu beobachten und wesentliche neue Erkenntnisse über den Ablauf der Reaktion zu gewinnen. Videoaufnahmen in atomarer Auflösung erlauben es, die verschiedenen Prozessschritte in Echtzeit zu beobachten und zu verstehen. Dabei sind sogar einzelne Platinatome sichtbar.
Wie oben zu sehen, sitzt das Platin-Nanopartikel (dunkle Fläche im Zentrum der Bilder) auf einem Titandioxid-Träger. Mit dem Wechsel der Gasatmosphäre von Wasserstoff zu Sauerstoff, verändert sich die Oberflächenbeschaffenheit des Platins. Der weisse Balken entspricht einer Länge von 5 nm, zum Vergleich: der Durchmesser eines Haares ist ungefähr 50 000 nm. Diese Aufnahmen wurden in Zusammenarbeit mit ScopeM, dem Scientific Center for Optical and Electron Microscopy an der ETH Zürich gemacht.
Für katalytische Prozesse wird Platin meistens als Nanopartikel (1 bis 10 nm) auf eine Trägeroberfläche gebracht, welches aus einem Metalloxid besteht. In den Anfangszeiten der Katalyse nahm man an, dass diese Metalloxide als inerte Trägermaterialien fungieren würden. Bereits vor 40 Jahren konnte gezeigt werden, dass die Trägersysteme alles andere als inert sind und dieses Phänomen der starken Wechselwirkung mit dem Trägermaterial wurde als Strong Metal-Support Interaction (SMSI) bezeichnet. Dieser Effekt spielt eine wichtige Rolle bei der Katalyse, denn er hat grossen Einfluss auf die Selektivität und Effizienz des Prozesses.
Wie oben zu sehen, entsteht in weniger als einer Sekunde plötzlich eine Titanoxidschicht auf dem Platinpartikel. Hier sieht man, wie sich an der Seite eines Partikels zunächst das Atomgitter neu strukturiert und dann zwischen 0.31s und 0.47 s schlagartig eine helle Struktur an der Seite entsteht. In der Elektronenmikroskopie bedeuten helle Strukturen, dass die Atome eine geringe Masse haben. So kann man zwischen Platin (schwer und daher dunkel) und Titanoxid (leicht und daher hell) unterscheiden. Die rasterartige Struktur, die auf den Bildern zu erkennen ist, ist die Atomgitterstruktur. Jeder Punkt entspricht einer Atomposition in Kristallgitter.
Metalloxidträger, die leicht zu reduzieren sind - wie z.B. Titanoxid - können durch eine reduktive Behandlung mit Wasserstoff modifiziert werden und so effizienter für bestimmte katalytische Reaktionen gemacht werden. Diese Veränderungsprozesse beinhalten die Bildung dünner Schichten des Trägermaterials auf der Oberfläche der Platin-Nanopartikel, eine sogenannte Einkapselung. Dieser Effekt wurde aber nie genau verstanden, da die Reaktion nie in Echtzeit beobachtet werden konnte und entnommene Proben sich bereits vor der weiteren Untersuchung verändern.
Dank der State-of-the-Art-Transmissionselektronenmikroskopie von ScopeM konnte dieser Prozess der Bildung der Überlagerungsschichten nun in-situ beobachtet und analysiert werden – eben in atomarer Auflösung und in Echtzeit. Beobachtet werden konnte erstmals, wie bei hohen Temperaturen die Platinatome von Titanoxid eingekapselt werden und wie diese Oberflächenstruktur sich verändert, wenn das System umgebende Gas ausgetauscht wird.
Diese Videos der Prozessschritte ermöglichen bisher nie dagewesene Einblicke in diesen Prozess und zeigen, dass in einem konkurrierenden Prozess auch eine Platin-Titan-Oberflächenlegierung gebildet wird. Überraschenderweise stellte sich heraus, dass die gebildete Einkapselung auch bei Anwesenheit von Sauerstoff und bei hohen Temperaturen stabil ist – was bisher nicht bekannt war. Dies lässt hoffen, dass diese Reaktion nun auch für katalytische Oxidationen genutzt werden kann und eröffnet damit ganz neue Möglichkeiten für Katalyse und Materialwissenschaft.
Jeroen Bokhoven und sein Team freuen sich, dass durch diese Kombination von neuesten in-situ-Techniken ein wichtiger industrieller Reaktionsmechanismus aufgeklärt wurde und so eine ganzheitliche und sich ergänzende Sicht auf katalytische Reaktionen erhalten wurde.
Referenz
Beck A, Huang X, Artiglia L, Zabilskiy M, Wang X, P Rzepka P, Palagin D, Willinger M-G, Bokhoven JA. The dynamics of overlayer formation on catalyst nanoparticles and strong metal-support interaction. Nature Communications 2020 11:3220. DOI: externe Seite 10.1038/s41467-020-17070-2