Neue Erkenntnisse zu einem 40 Jahre alten Katalysator

  • D-CHAB
  • LAC
  • Highlights

Vor fast 40 Jahren entwickelt, wird Titansilikalit-1 (TS-1) seit langem erfolgreich als Katalysator zur Umwandlung von Propylen in Propylenoxid eingesetzt, einer wichtigen Grundchemikalie, die z.B. zur Herstellung von Kunststoffen wie Polyurethan verwendet wird. Nun hat ein Team von Forschenden der ETH Zürich, der Universität Köln, des Fritz-Haber-Instituts und der BASF den eigentlichen und überraschenden Reaktionsmechanismus aufgedeckt.

von Oliver Renn

Propylenoxid ist ein wichtiger Ausgangsstoff in der chemischen Industrie und wird für die Herstellung von Kunststoffen, Frostschutzmitteln und Hydraulikflüssigkeiten verwendet. Mehr als 11 Millionen Tonnen Propylenoxid werden jährlich hergestellt, davon jetzt schon eine Million durch Oxidation von Propylen mit Wasserstoffperoxid (H2O2). Diese chemische Umsetzung wird durch Titansilikalit-1 (TS-1) katalysiert, ein poröses, kristallines Material, welches aus Siliziumdioxid besteht und geringe Mengen an Titanatomen enthält (etwa 1 bis 4 Titanatome pro 100 Siliziumatome). Als einziges Nebenprodukt entsteht dabei Wasser. Obwohl dieses katalytische Verfahren seit der Entwicklung von TS-1 vor fast 40 Jahren erfolgreich eingesetzt wird, war der genaue Mechanismus der Katalyse nicht bekannt. Der Konsens in der chemischen Forschungsgemeinschaft war jedoch folgender: Die aktiven Stellen in TS-1 müssen isolierte Titanatome sein, verantwortlich für diese einzigartige Reaktivität des Katalysators.

Produktionsanlage der BASF in Antwerpen, die jährlich bis zu 300 000 Tonnen Propylenoxid herstellen kann
Produktionsanlage der BASF in Antwerpen, die jährlich bis zu 300 000 Tonnen Propylenoxid herstellen kann (Foto: BASF)

Ein Team von Forschenden der ETH Zürich, der Universität Köln, des Fritz-Haber-Instituts in Berlin und der BASF stellte diese Annahme in Frage. In einer nun in Nature veröffentlichten Studie konnten die Wissenschaftler zeigen, dass zwei Titanatome während des katalytischen Prozesses H2O2 aktivieren, was darauf hindeutet, dass Titanatome in Wirklichkeit keine isolierten, sondern kooperierende Einheiten sind.

Auf der Basis der 17O-Festkörper-NMR-Spektroskopie konnten die Forscher zeigen, dass bei der Oxidation mit H2O2 Peroxo-Zwischenprodukte gebildet werden, an denen zwei Titanatome beteiligt sind. Durch rechnerische Modellierung zeigen die Autoren weiter, dass diese dinuklearen Zentren für die Oxidation von Propylen in der Tat besonders befähigt sind. Interessanterweise verläuft die Funktionsweise solcher dinuklearer Zentren parallel zu dem gut etablierten Reaktionsmechanismus von Persäuren, die zu den ältesten und bekanntesten Reagenzien für Alken-Oxidationen gehören. Die Studie zeigt auch, dass die dinuklearen Zentren bei der Propylen-Epoxidation besonders effizient sind und für die Entwicklung verbesserter Katalysatoren in Betracht gezogen werden sollten.

„Keine der Methoden, die wir in dieser Forschung verwendet haben, ist grundlegend neu; es mussten jedoch viele Dinge gleichzeitig geschehen, um diese Studie zu ermöglichen“, sagt Christophe Copéret, der Korrespondenzautor der Publikation. „Unser Labor hat erst kürzlich eine Methode zur Synthese von 17O-angereichertem Wasserstoffperoxid entwickelt, welches ein Schlüsselbestandteil unserer jüngsten Arbeit war. Darüber hinaus hat unsere Forschungsgruppe in den letzten Jahren bedeutende Erfahrungen mit der NMR-Spektroskopie bei tiefen Temperaturen gesammelt, die uns die Durchführung dieser Studie ermöglichten. Auch Dr. Henrique Teles von der BASF, und Co-Autor der Studie betont: „Wenn man versucht, auf Basis einer falschen Annahme einen Katalysator zu optimieren, ist das sehr schwierig und kann in die völlig falsche Richtung führen. Daher war es wichtig, diese Annahme genauer zu überprüfen“.

3D-Modell des aktiven Zentrums des Katalysator Titansilikalit-1 mit einem Titan-Paar
3D-Modell des aktiven Zentrums des Katalysator Titansilikalit-1 mit einem Titan-Paar (hellgrau) Illustration: ETH Zürich / Christopher Gordon

„Wir haben viele Jahre an der Aufklärung des Reaktionsmechanismus eines Katalysators für die homogene Katalyse gearbeitet und herausgefunden, dass hier – entgegen den Annahmen in der Literatur – das Wasserstoffperoxid durch ein Titan-Paar aktiviert wird. Es war wirklich ein besonderer Moment, als wir in der aktuellen Untersuchung gesehen haben, dass die Erkenntnisse aus der homogenen Katalyse auch für die heterogene Katalyse zutreffen.“ erklärte der Co-Autor Prof. Albrecht Berkessel von der Universität Köln. Und Dr. Thomas Lunkenbein, Co-Autor vom Fritz-Haber-Institut in Berlin, ergänzt: “Wir freuen uns sehr, dass wir einen Beitrag zu dieser Studie leisten konnten. Mit unserer Analytik konnten wir die Schlussfolgerungen untermauern. Die Erkenntnis eines zweiatomigen aktiven Zentrums ist von grundlegender Bedeutung und eröffnet neue Möglichkeiten in der Katalysatorforschung.“

Die Entwicklung von Katalysatoren ist oft eine Black Box. Voraussetzung für den Erfolg sind viele Experimente, ein breites und grossangelegtes Screening und nicht zuletzt Glück. Die Kenntnis der katalytisch-aktiven Struktur ist für die rationelle Entwicklung von Katalysatoren von grösster Bedeutung. Die Aufklärung des Reaktionsmechanismus des heterogenen Katalysators TS-1 brachte höchst überraschende Ergebnisse und wirft ein neues Licht auf diesen 40 Jahre alten Katalysator und wird zur Verbesserung und Entwicklung von anderen homogenen und heterogenen Katalysatoren beitragen.

Literatur

Gordon CP, Engler H, Tragl AS, Plodinec M, Lunkenbein T, Berkessel A, Teles JH, Parvulescu AN, Christophe Copéret C. Efficient epoxidation over dinuclear sites in Titanium Silicalite-1. Nature (2020) doi: externe Seite10.1038/s41586-020-2826-3

Weitere Informationen

Webseite Forschungsgruppe Copéret

externe SeiteGemeinsame Presseinformation

Nature News&Views Artikel zur Publikation: Bert M. Weckhuysen externe Seite"Fresh evidence challenges the consensus view of active sites in an industrial catalyst"

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert