«Lehren gibt mir Energie»
- D-CHAB
- LOC
- Highlights
Dr. Renana Gershoni Poranne hat in ihren Kurs – bekannt als OC4 – viel Energie gesteckt und damit erfolgreich Brücken geschlagen: inhaltliche zwischen der Quantenchemie und der organischen Chemie sowie zwischenmenschliche mit ihren Studierenden. Die Energie kam stets vom Publikum zu ihr zurück, zusammen mit schönen Momenten. Für ihr Engagement erhielt sie nun die Goldene Eule. Ein Gespräch über ein besonderes Abschiedsgeschenk, «Kugelbahnen» und das Rezept guter Lehre.
Dr. Renana Gershoni Poranne trägt die Freude gerne mit sich – buchstäblich. Zum einen ist da ihr gewinnendes Lächeln, zum anderen das goldene Serotonin-Molekül an ihrer Kette, flankiert von zwei Steinen, die für ihre Söhne stehen. Die Liebe zur Familie, vor allem aber auch die Leidenschaft für Chemie und die Fröhlichkeit gehören zu ihrer Persönlichkeit. Das merkt man auch, wenn man mit Renana Gershoni Poranne über die Lehre spricht und das Foto betrachtet, welches sie nach ihrer ersten Vorlesung zeigt. «Ich wirke fast als wär mir ein wenig schwindlig. Die Wahrheit ist, ich war danach einfach so beschwingt und voller Energie», erinnert sie sich lachend.
Die aus Israel stammende Chemikerin ist 2015 als Post Doc in Professor Peter Chens Gruppe ans Institut für organische Chemie gekommen. Nach zwei Jahren wurde sie Oberassistentin und übernahm Professor Chens Kurs über qualitative molekulare Orbitaltheorie – bei den Studierenden bekannt als OC4. «Ich hatte bereits viel Lehrerfahrung als Tutorin, aber das erste Vorlesungsjahr war trotzdem hart», gibt Gershoni Poranne zu. «Ich habe zum ersten Mal auf Englisch unterrichtet und auf ETH-Niveau. Zusätzlich trat ich in die Fussstapfen von Professor Chen, der den Kurs aufgebaut hatte und der ein hervorragender Lehrender ist. Es war ein Privileg. Ich wollte den Studierenden und dem Kursinhalt gerecht werden, habe rund um die Uhr gearbeitet. Erst in den folgenden Jahren ist es einfacher geworden und der Kurs hat sich gut weiterentwickelt.»
Fachliche Brücken
Für Gershoni Poranne hat der Kurs eine Brückenfunktion: «Wir nehmen Konzepte, die die Studierenden aus der Quantenchemie kennen und übersetzen die bekannten Gleichungen in Bilder, die wir auf Fragen der organischen Chemie anwenden können, so etwas wie: Was bestimmt die Selektivität dieser oder jener Reaktion?», erläutert sie. Die grösste Herausforderung sei dabei gewesen, den Studierenden klarzumachen, wie die Dinge zusammenhängen: «Versteht man das Grundgerüst, kann man es beliebig auf andere Fragestellungen erweitern. Das wichtigste war mir, dass die Studierenden lernen, wie man denkt. Wenn man weiss, wie man ein System analysiert, kann man sich auf diese Weise auch neues Wissen erschliessen.»
Wie aber erreicht man das als Lehrende? Gershoni Poranne überlegt. Zunächst halte sie sich vor Augen, dass das Gegenüber die Inhalte vielleicht zum ersten Mal hört, und versetzt sich in seine Lage. «Dazu gehört auch, die Geschichten ‚komplett‘ zu erzählen. Das heisst, ich erkläre auch die Basis, die nötig ist, um weitere Schritte zu verstehen und mache deutlich, warum eine Information wichtig ist. Ich wiederhole die Dinge auch in unterschiedlicher Form, weil ich denke, dass verschiedene Menschen oft verschiedene Zugänge brauchen.» Die Erklärung selbst unterfüttere sie gern mit Beispielen aus der realen Lebenswelt – etwa mit der «Kugelbahn», lacht Gershonni Poranne, «ich glaube, die Studierenden waren überrascht, dass ich das Wort kenne. Ich verwende es als Analogie, wenn ich über Moleküle auf potenziellen Energieflächen spreche.» Insgesamt sei ihr wichtig, dass die Studierenden auch Spass haben.
Zwischenmenschliche Brücken
Von Israel kommend sei die Lehre eine kleine Umstellung gewesen. «Die Studierenden in Israel fragen sehr viel während des Unterrichts. Hier hingegen sind die Studierenden deutlich zurückhaltender, fragen eher während der Pause. Es ist eine kulturelle Sache.» Besonders schätze sie an den ETH Studierenden ihr Verantwortungsbewusstsein für ihr Studium. Sie habe sie auch immer als äusserst respektvoll und zuvorkommend erlebt. Ich hatte sehr nette Begegnungen. «Einem Studierenden, der letzten Winter bei einer Prüfung durchgefallen war, sagte ich, ich wäre zuversichtlich, dass er es das nächste Mal schaffen würde. Vor ein paar Monaten hat er sich bei mir gemeldet und mir erzählt, dass er bestanden habe. Das bedeutet mir viel – nicht nur, dass er Erfolg gehabt hat, sondern vor allem, dass er seine Freude und seinen Stolz mit mir teilen wollte.»
In Zukunft wird Renana Gershoni Poranne am Technion in Israel tätig sein. Als Assistenz-Professorin baut sie dort ihre neue Gruppe auf und wird die Forschung, die sie im Rahmen ihres 2019 erhaltenen Branco-Weiss-Stipendiums begonnen hatte, weiterverfolgen. Auch auf die Lehre freut sie sich: «Lehre kostet Zeit, aber sie erfüllt mich mit so viel Energie. Es macht mit glücklich mit den Studierenden zu interagieren und zu sehen, wie es nach einer Erklärung plötzlich Klick macht. Teil dieses Prozesses zu sein ist ein Privileg.»
In diesem Sinne sei auch die Goldene Eule des VSETH die sie kürzlich vom VSETH erhalten hat, eine besondere Auszeichnung – in fachlicher und persönlicher Hinsicht. «Ich war für relativ kurze Zeit an der ETH, etwa sechs Jahre, habe aber das Gefühl, dass ich etwas bewirken konnte – zusammen mit meinen Lehrassistenten. Der Preis gehört auch ihnen, es war Teamwork», sagt Renana Gershonni Poranne. «Zudem ist die Beziehung zur nächsten Generation ein sehr wichtiger Aspekt, wenn man Teil einer akademischen Gemeinschaft ist.»
«Ich bin sehr dankbar dafür, dass die Studierenden mir ihr Vertrauen geschenkt haben und dass sie grosszügig genug waren, ihre Anerkennung zu zeigen. Es ist ein schöner Abschluss meines Kapitels hier.»Renana Gershoni Poranne