Die Chemie der Düfte
Düfte, ob natürlich oder synthetisch, wecken Erinnerungen, Emotionen, sind tägliche Begleiter, Kommunikationsmittel – doch wie funktionieren sie? Was machte den Duft eines Pottwals so populär und was genau tun Riechstoffchemiker:innen?
Wonach roch das alte Ägypten? Sicher ist, dass es dort bereits Papyrusrollen mit Parfumrezepten oder Riten für die Einbalsamierung der Toten mit duftendem Harz gab. Vom Orient breitete sich die Parfümerie schliesslich bis Frankreich aus und fand im blütenreichen Grasse ihr Zentrum. Blumen und ätherische Öle waren und sind allerdings nicht die einzigen Duftquellen. Auch Tiere produzieren Duftstoffe. Das dunkle, wachsige Ambra zum Beispiel, welches sich auch in der Chemischen Sammlung im HCI findet, stammt aus dem Verdauungstrakt des Pottwals. Gelangt es ins Meer, bildet sich über chemische Reaktionen ein duftender Ambrakörper – früher kostbar wie Gold. Heute lässt sich Ambra künstlich synthetisieren.
Auch die Moschustiere (früher Moschushirsche genannt) haben es den Parfümeuren angetan. Die Männchen verfügen über einen Moschusbeutel, welcher ein wohlriechendes Brunftsekret enthält. Dieses wurde ebenfalls teuer gehandelt, denn Moschus ist der sinnlich-erotische Kern eines Parfüms und verleiht Wohlgefühl. Auch dafür nutzt man heute künstliche Substanzen.
Moschus gehört zur Klasse der Terpene. Diese zeichnen sich durch eine Ringstruktur aus. Der ehemalige ETH-Professor und spätere Nobelpreisträger Leopold Ružička fand heraus, dass diese Ringe bis zu 17 Glieder haben können – so auch Moscin (vom Moschustier) oder Zibetin (Duftstoff der Zibetkatze), beides damals von Parfümeuren verwendet. Ružička konnte diese Stoffe synthetisieren – läutete also das Zeitalter der makrozyklischen Riechstoffe ein – und lieferte wichtiges Rohmaterial für die Parfums der Firma Naef & Cie (später Firmenich). Bis heute bilden Moschuskörper einen zentralen Teil der Riechstoffforschung.
Diese beschäftigt sich unter anderem mit dem Zusammenspiel von Struktur und Geruch, denn die Funktionsweise von Düften ist sehr komplex. Sie werden über Riechsinneszellen und deren Rezeptoren in der Nasenschleimhaut aufgenommen. Die Reize werden dann weiter ins Gehirn geleitet und kreieren dort ein für jeden Menschen individuelles Duftbild. Das System ist noch immer grossteils unverstanden. Darin liegt die Herausforderung für die Riechstoffchemiker:innen. Sie müssen trotzdem immer neue Verbindungen, das heisst Gerüche entdecken, die zudem unbedenklich für Mensch und Umwelt sein müssen.
Der Herr der Kohlenstoffringe
Leopold S. Ružička (1887–1976) stammte aus Vukovar, Kroatien. Der Chemiker forschte und lehrte in Utrecht und Zürich, ab 1929 dauerhaft an der ETH. Dazwischen war er für die Genfer Parfumeure Chuit, Naef & Firmenich tätig – Gefässe mit diesem Label finden sich in der Sammlung. Ružičkas Verdienst bestand vor allem in der Strukturaufklärung komplexer Naturstoffe, wie Terpene. Er konnte zeigen, dass es ringförmige Moleküle mit mehr als acht Gliedern gibt und schaffte es, diese zu synthetisieren. Ružička forschte zudem an Steroiden und konnte die männlichen Sexualhormone Androsteron sowie Testosteron isolieren. 1939 erhielt er den Nobelpreis für seine Arbeiten über Polymethylene und Terpene.
Literaturnachweise und Lesetipps
Download Armanino et al. 2020: Heiße Luft oder cooler Duft? Die Trends der letzten 20 Jahre in der Riechstoffchemie (PDF, 27.5 MB). Angew. Chem. 2020, 132, 16450–16487. doi.org/10.1002/ange.202005719
Download Brauckmann 2001: Der Struktur von Düften und Aromen auf der Spur. Report. ETH Research Collection. (PDF, 731 KB) doi.org/10.3929/ethz-a-004384414
Leopold Ruzicka – Nobelpreis für Chemie 1939. Universität Zürich. Download Artikel (PDF, 542 KB) und externe Seite Video