Farbenfrohe Chemie: Jenny-Trümpys Stoffmusterbücher online erleben

In der Chemischen und Pharmakognostischen Sammlung D-CHAB befinden sich 17 Stoffmusterbücher des Schweizer Textilfabrikanten und Chemikers Adolf Jenny-Trümpy. Neben farbenfrohen historischen Mustern (18.-20 Jh.) inklusive chemischer Färberezepte bieten die Bände auch Einblick in die Geschichte der Farbchemie und des Textildrucks. Nun frei zugänglich als Online-Katalog laden die digitalisierten Bände zum Schmökern, Entdecken und Staunen ein.

Haben Sie schon einmal überlegt, welche exakten Farben ihre Kleidung hat, wie die Muster auf den Stoff gekommen sind und welche Rolle Chemie dabei spielt? Als Laie, mag man heute höchstens feststellen, dass der Schal, den man trägt, auch nach dem x-ten Waschgang schön bunt ist und ein schnörkeliges Pflanzenmuster hat. Dabei steckt so viel mehr dahinter.

Portrait Adolf Jenny Trümpy

Wie man so etwas kreiiert, hat der Textilfabrikant und Chemiker Adolf Jenny-Trümpy in seinen farbenprächtigen, kommentierten Stoffmusterbüchern dargelegt. Zwischen 1907 und 1934 stellte Jenny-Trümpy insgesamt 22 Bände der wichtigsten Muster aus dem Glarnerland und der Firma Bartholome Jenny & Cie in neunfacher Ausführung zusammen. 17 Bände einer dieser Serien vermachte er der «Chemie-Schule des eidgenössischen Polytechnikums», wo jahrelang Forschung zu Farbstoffen wie Indigo u.a. betrieben wurde. Die übrigen fünf Bücher befinden sich heute im Sammlungszentrum Affoltern. 

Blättert man in den Büchern stösst man auf einen bunten graphischen Musterschatz gedruckt auf verschiedene Textilien. Ergänzt wird dieser durch präzise Notizen zur Chemie und Synthese der verwendeten Farbstoffe, zu den Färbebedingungen sowie zur Historie einer Farbchemie, die einerseits auf der organischen Chemie aufbaute, aber andererseits auch Metallfarbstoffkomplexe nutzte.

Schnell wird klar, dass für den Fachmann aus dem schweizerischen Ennenda der eingangs erwähnte Schal nicht einfach nur bunt gewesen wäre, sondern vielleicht mit Dampfrosa, Benzopurpurin, Malachitgrün, Azoschwarz oder Anilinviolett gefärbt dabei licht- und seifenecht, und verziert mit Palmettos (komplexes Fächerpalmen-Muster) – alles in allem ein Ausdruck von höchster Handwerkskunst und chemischem Know-how.

“Fancy” Palmette designs in panel colors 1850s/70s.
Eine mögliche Version eines Palmetto-Musters: „Fancy“ Palmette-Muster in Tafelfarben 1850er/70er Jahre (A. J. Trümpy Fabric pattern books, Band 5, Seite 57).

Chemisches Know-how von Cochenille bis Kuhmist

Palmettenmuster, übrigens heute noch Trend, mussten im 19. Jh. nämlich erst mühsam vom Papierentwurf zu einer Art Stempel (Model) verarbeitet werden. Dieser wurde in eigens hergestellte Farben getaucht und auf Stoff gedruckt. Dafür kamen je nach Material spezielle Verfahren und komplexe Färberezepturen zum Einsatz.

Aus Jenny-Trümpys Büchern erfährt man z.B., dass man in Ennenda lange Zeit natürliche Farbstoffe aus Pflanzen und Tieren verwendet hatte – darunter Kreuzbeere (Gelbtöne), Indigo (Blautöne) oder Cochenilleschildlaus (Rottöne) – und lernt, welche neuen Möglichkeiten durch die aufkommenden, künstlich synthetisierten Teerfarben entstanden.

Mit grossen Augen liest man auch von skurril anmutenden Methoden: So wurden die Textilien vor dem Färben oft «gekuhkotet», also mit einer Brühe aus Kuhmist, Wasser, Wasserglas* und Kreide getränkt, damit sie sich besser färben liessen (die enthaltenen Phosphate fällten wohl Aluminium- und Eisensalze aus und trugen so zur Bildung von Farblacken bei). * glasartige Natrium-, Kalium- und Lithiumsilicate oder ihre wässrige Lösung

Besonders wichtig im Färbeprozess war ausserdem das Beizen – d.h. die chemische Farbfixierung auf Stoff durch Substanzen wie Chromacetat, Alaun oder Eisenacetat – und das sogenannte Schönen der Farbe. Ein Quecksilbersublimat-Bad diente z.B. dem Schönen und Befestigen von Purpursäure, übrigens auch Guanorot genannt, weil die zu seiner Herstellung nötige Harnsäure wohl oft aus südamerikanischem Vogelmist gewonnen wurde.

Am Ende sind Jenny-Trümpys Bücher auch ein Zeugnis technologischer Entwicklungen. Letztere ermöglichten es, die Druckverfahren nebst Baumwolle auf diverse Stoffe auszudehnen und Massenware zu produzieren, bedeuteten aber im 20. Jh. zugleich den Niedergang des traditionellen Glarnerischen Textildrucks, welcher den internationalen Markt jahrzehntelang mit Exporten nach Europa, Asien, Afrika und Südamerika mitdominiert hatte.

1906 war auch die Schliessung von Jenny-Trümpys Firma in Ennenda absehbar und gab möglicherweise den Ausschlag zur Idee, das angesammelte Know-how in Druckmusterbüchern für die Nachwelt festzuhalten und zugänglich zu machen.

Stoffmusterbücher als Onlinekatalog

Damit die teils über hundert Jahre alten fragilen Werke diesem Auftrag auch künftig gerecht werden können, wurden die 17 Bände des D-CHAB im Rahmen eines von den Sammlungen und Archiven der ETH Zürich geförderten Projekts der Öffentlichkeitsarbeit D-CHAB nun vollständig digitalisiert, transkribiert und in einen frei zugänglichen Onlinekatalog überführt. 

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Kurzes Erklärvideo: virtueller Onlinekatalog (Video: Julia Ecker, ETHZ)
Vergrösserte Ansicht: Screenshot Website Stoffmusterkatalog
Der Katalog ermöglicht es, die Sammlung von Adolf Jenny-Trümpy neu zu entdecken - ob über die Suche mit verschiedenen Filtern, die Zoomfunktion oder die transkribierte Handschrift - und bietet Detailinformationen.

Der von Maria Pechlaner für diesen Zweck entworfene und programmierte Katalog ermöglicht es, Adolf Jenny-Trümpys Sammlung zu bewahren und zugleich neu zu entdecken: sei es durch die Suche über verschiedene Filter, die Zoomfunktion oder durch die transkribierte Handschrift.

Letztere erleichtert das Erfassen der Information und bietet eine gute Basis für künftige wissenschaftliche Projekte bzw. für die geplante Erschliessung – aus künstlerischer, textilfachlicher, aber vor allem chemischer Sicht. So könnten die enthaltenen Informationen und Proben als Referenz dienen, etwa im Hinblick auf einen Vergleich mit heutigen Verfahren.

Lassen auch Sie sich inspirieren. Wir wünschen viel Freude beim Erkunden und wer weiss, vielleicht entdecken Sie ja auch das eine oder andere Muster im eigenen Kleiderschrank wieder.

Hier geht's zum virtuellen Stoffmusterkatalog

Im Rahmen eines Digitalisierungsprojektes wurden die 17 Bücher zwischen 2023 und 2024 komplett digitalisiert, inklusive Transkription der Handschriften, und in einen eigens dafür erstellten Online-Katalog übertragen. Klicken Sie hier, um zum Online-Katalog zu gelangen. Viel Spaß bei der bunten Reise in die Chemie!

Weitere Informationen

Adolf Jenny Trümpys Stoffmusterbücher

Wanner JEan-Richard A. (2016): Adolf Jenny-Trümpy und seine Sammlungen von Stoffmustern. URL: externe Seite http://www.annatextiles.ch/druck_ennenda/text/musterband.htm

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