Wie Pulp Fiction zu guter Lehre beiträgt
Seit 2017 ist Elvan Kut Bacs bestrebt, Pharmazeut:innen und Apotheker:innen bestmöglichst für ihre künftigen Aufgaben auszubilden und greift dafür auch zu unorthodoxen Lehrmethoden. Die Dozentin und Programmkoordinatorin des Master Pharmazie am D-CHAB erhielt für ihre engagierte Lehrtätigkeit nun die Goldene Eule 2024. In diesem Interview verrät sie, was gute Lehre ausmacht und warum Fiction gerade in der faktenbasierten Wissenschaft manchmal hilfreich sein kann.
Was hat Sie in der Lehre geprägt? Gibt es eine spezielle Erinnerung?
Im Zusammenhang mit der Goldenen Eule ist mir tatsächlich ein Ereignis aus meiner Teenagerzeit in den Sinn gekommen. Ich hatte mich damals unheimlich gut auf einen Vortrag über Siddhartha vorbereitet. Beim Vortrag verirrte ich mich allerdings in meinen Notizen und musste den Rest frei erzählen. Plötzlich habe ich gemerkt, wie gebannt mir meine Mitschüler zuhörten. Das war ein Moment, der mich sehr geprägt hat. Ich erkannte, dass man eine Materie verinnerlichen muss, um sie wirklich gut vermitteln zu können.
Wie sind Sie Dozentin an der ETH geworden?
Ich habe zum Thema Emotion und Schmerzwahrnehmung am Collegium Helveticum doktoriert, an der Schnittstelle zwischen Geistes- und Naturwissenschaften. Das fand ich wunderbar. Nachdem ich anschliessend einige Zeit in der Geschäftsleitung des Collegiums tätig und bei verschiedenen Forschungsprojekten involviert war, zog es mich 2017 wieder zurück in die Pharmazie. Seither gebe ich an der ETH Zürich Vorlesungen im Bachelor Pharmazeutische Wissenschaften und unseren beiden Masterstudiengängen am IPW.
Zudem sind Sie Programmkoordinatorin im Master Pharmazie, richtig?
Das stimmt. Als Programmkoordinatorin kümmere ich mich gemeinsam mit meinen Kolleg:innen um die Curriculumsentwicklung. Da geht es vor allem darum herauszufinden, wie wir Apotheker:innen ausbilden müssen, damit sie den künftigen Anforderungen gerecht werden. Im Master Pharmazie sind wir sehr viele in der Offizin oder im Spital praktisch tätige Apothekerinnen und Apotheker. Das trifft auch auf mich zu und diesen patientennahen Praxis-Einblick vermitteln wir in der Lehre. Das ist sehr speziell in unserem Master Pharmazie.
Was ist Ihr persönliches Rezept für gute Lehre?
Mein Rezept ist stark geprägt durch die Zeit am Collegium Helveticum. Ich finde es wichtig, Themen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und versuche als Dozentin meine persönlichen Zugänge zu vermitteln, aufzuzeigen, warum ich mich mit einer Materie gerne auseinandersetze. Als Lehrender ist man wie ein Dirigent oder eine Dirigentin bei einem Live-Konzert: Man muss schauen, dass die Musik spielt und der Funke überspringt. Wenn dies dann eine Resonanz mit dem Publikum hervorruft, sprich mit den Studierenden, ist das immer ein wahnsinnig schöner Moment.
Wie erreicht man diese Resonanz?
Indem ich die Vorlesung so gestalte, dass ich immer wieder neue, auch unerwartete Aspekte einbaue, eventuell aus Literatur und Filmen. Ein Beispiel: Wenn wir über Opioide sprechen, zeige ich gern eine Szene aus Pulp Fiction: eine Überdosierung wird dort mit einer Adrenalin-Spritze direkt ins Herz behandelt. Wir diskutieren anschliessend, was daran falsch ist. Fachlich gesehen müsste man nämlich einen Nasenspray mit Naloxon verabreichen. Da müssen die Studierenden immer lachen. So ein Nasenspray würde im Film natürlich nicht gut ankommen, aber pharmazeutisch wäre es die richtige Wahl. Dieses Erlebnis bleibt den Studierenden im Gedächtnis.
Gibt es auch Momente im Lehrbetrieb, die herausfordernd sind?
Was mich manchmal beschäftigt, ist die Präsenz der Studierenden. Ich bin der Überzeugung, die Vorlesung sollte so spannend sein und so viel Mehrwert generieren, dass wir die Studierenden nicht ständig zwingen müssen, anwesend zu sein. Gleichzeitig sind der Prüfungsdruck und die oft knappe Lernzeit aber auch Fakt. Hier eine Balance zu finden, ist manchmal eine Herausforderung.
Was wären Ihre drei Ratschläge für angehende Lehrende?
Man sollte sich zuerst fragen: Was will ich den Studierenden beibringen? Welche Skills sollen sie am Ende beherrschen und was ist mein Narrativ, um dorthin zu kommen? Zweitens ist es wichtig, viel Interaktives einzubauen und drittens soll man ruhig die eigene Persönlichkeit zeigen dürfen. Man hört lieber zu, wenn man auch ein bisschen die Person spüren kann, die vorne steht.
In dem Zusammenhang haben Sie einen guten Job gemacht, wie die Goldene Eule beweist. Was bedeutet dieser Preis für Sie?
Für mich ist das eine wunderbare Anerkennung, auch weil ich keinen ganz linearen Werdegang gehabt habe. Es ist schön zu sehen, dass das, was mir bereits Freude macht, offenbar auch gut ankommt, und ich möchte mich herzlich für diese Auszeichnung bedanken.